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Pressemeldung zur Präsentation der Umfrageergebnisse

Presseinformation Pfarrei Sankt Elisabeth Kassel

Zukunft Elisabethkirche Kassel nach Dacheinsturz:

Wissenschaftliche Umfrageauswertung bevorzugt multifunktionale Nutzung

KASSEL (19.3.25, Sperrfrist 12 Uhr). Nachdem das Kirchendach der Elisabethkirche im November 2023 einstürzte, wird das Gebäude durch ein Notdach geschützt. Im Sommer 2024 fand eine Umfrage zur Zukunft der Elisabethkirche statt. Rund 1500 Menschen haben sich daran bundesweit beteiligt und schlagen mehrheitlich über alle Konfessionsgrenzen eine multifunktionale kirchliche Nutzung an diesen zentralen Ort in Kassels Innenstadt vor. Die Bedeutung als Ort für Gottesdienste und Kultur mit einer Öffnung für die Stadtgesellschaft wird deutlich. Die Umfrageauswertung und Bewertungen durch Bistum Fulda und Pfarrei Sankt Elisabeth findet man auf www.zukunft-elisabethkirche.de

Mit der Auswertung wurde „impaekt - Institut von Evaluation und Wirkungsforschung“ beauftragt. Die Geschäftsführerin Dr. Miriam Zimmer (Leitung Kompetenzzentrum Pastorale Evaluation, Zentrum für angewandte Pastoralforschung an der Ruhr-Universität Bochum) stellte die Ergebnisse vor. Herausgestellt werden kann die unerwartet hohe Teilnehmerzahl. Viele haben sehr umfangreich auch offene Fragen beantwortet. „Das allein spricht für eine hohe Relevanz der Kirche bei den Menschen und hohe Wertschätzung über Religionsgrenzen hinweg“, so Dr. Mariam Zimmer. Mehr als die Hälfte der Befragten betrachtet die Elisabethkirche als stadtbildprägend. Sie wird insbesondere als wichtiger Ort der Religion (45 %) und Kultur (43 %) wahrgenommen – unabhängig von der eigenen Religiosität. Eine starke Resonanz ist bei Jüngeren zu erleben. Befragte unter 25 Jahren empfinden die Kirche häufig als spannend (16 %) und einzigartig (23 %). Kaum ein junger Mensch (2 %) hält sie für unwichtig. Knapp die Hälfte der Kirchenmitglieder sieht, unabhängig von der Konfession, die Zukunft der Elisabethkirche in einer Verbindung klassischer kirchlicher Funktionen mit neuen Inhalten. Ein einfacher Wiederaufbau wird nur von weniger als 20 % unterstützt. Die Mehrheit der nicht religiösen Befragten (54 %) betrachtet den Einsturz hingegen als Chance für eine völlig neue Nutzung.

Die Umfrage zeigt vier dominante Sichtweisen auf die künftige Nutzung der Kirche, die das auswertende Institut zusammengefasst und soziologisch definiert hat: „Säkulare Funktionalisten“ (22 %) bevorzugen eine rein funktionale, oft nicht-religiöse, sozial orientierte Nutzung. Kulturorientierte (20 %) wünschen einen offenen Begegnungsort mit kulturellen und religiösen Angeboten. „Kirchliche Bewahrer“ (24 %) legen Wert auf eine traditionelle kirchliche Nutzung mit Fokus auf Liturgie und katholische Gemeinschaft. „Religiös-gesellschaftlich Balanceorientierte“ (34 %) plädieren für eine Mischung aus traditionellen und gesellschaftlichen Nutzungen.


Dr. Miriam Zimmer: „Die Mehrheit der Befragten spricht sich für eine multifunktionale Nutzung aus, die religiöse, kulturelle und soziale Aspekte verbindet. Ein einstimmiges Konzept ist nicht erreichbar. Die Steuerungsgruppe muss daher Schwerpunkte setzen und bestimmte Visionen stärker oder schwächer gewichten.“ Die Wissenschaftlerin vom Zentrum für angewandte Pastoralforschung an der Ruhr-Universität Bochum sieht die Notwendigkeit strategischer Entscheidungsfindung, die die multifunktionale Nutzung als bevorzugte Lösung bei der Umfrage einbezieht. Die Erhebung von Ideen ersetze aber keine strategische Ausrichtung. „Wir empfehlen der Steuerungsgruppe, eine inhaltliche Klärung zur künftigen Funktion der Kirche vorzunehmen“, so Dr. Zimmer.

„Über innerkirchlichen Tellerrand hinauszubewegen und neue Wege weiter mutig beschreiten“

„Als Leiterin der Fachstelle für pastorale Innovation im Bistum Fulda finde ich es gut und wichtig, dass wir nicht einfach sagen: ‚Dach wieder drauf‘“, so Simone Twents. „Wir sind als Kirche nicht für uns selbst da, sondern um relevant und inspirierend für andere zu sein - am Standort der Elisabethkirche besonders für die Stadtgesellschaft von Kassel.“ Auch sei St. Elisabeth bereits mehr als Gemeinde und Gottesdienstraum gewesen. Twents: „Die Elisabethkirche stand auch für documenta, Kunst und kulturelles Engagement. Daher nutzen wir den Moment, um größer zu denken und uns zu fragen: Wofür wollen wir als Kirche der Zukunft an diesem Standort da sein? Womit können wir die Menschen und die Stadtgesellschaft bereichern? Welche Brücken, Chancen und offenen Türen bieten sich für Glaube, Hoffnung und Liebe des Evangeliums?“ Twents beindruckt, dass die Mehrheit der Befragten sich für eine mehrdimensionale Nutzung ausspricht, die Religion, Kultur und Begegnung miteinander verbindet. „Das ermutigt mich, uns über den innerkirchlichen Tellerrand hinauszubewegen und neue Wege weiter mutig zu beschreiten“, so die Leiterin der Fachstelle für pastorale Innovation im Bistum Fulda.

Für Dechant André Lemmer sind die einzelnen Ergebnisse der Umfrage als Pfarrer der Pfarrei Sankt Elisabeth in vielerlei Hinsicht inspirierend. „Es ist klar, dass Kirche über den spirituellen Aspekt hinaus auch in andere Bereiche des Lebens hinausstrahlen soll. Bei uns ist es seit langem die Kulturarbeit. Bei aller Tragik des Einsturzes spornt mich die Umfrage auch an: Wie können wir einen Ort der Zukunft schaffen an dem die Elisabethkirche - über Glaube und Kultur hinaus - Möglichkeiten bietet, bei denen Gesellschaft und Kirche neue Berührungspunkte entstehen lassen können.“

Diese Überlegungen bräuchten Zeit. Daher soll ein provisorisches Dach errichtet werden, damit die Kirche wieder nutzbar ist. „Dieses Dach wird uns die Möglichkeit geben auch während unserer Überlegungen einzelne Ideen zu testen und somit auch unsere weiteren Planungen unterstützen. Am Ende soll ein tragfähiges, zukunftsorientiertes Konzept für die Elisabethkirche realisiert werden. Das ist kein Sprint, sondern eher ein Marathon, aber ich weiß, dass er sich auszahlen wird“, so Pfarrer Lemmer.

Ort für „Gegenwart Gottes“

Zusätzlich zur wissenschaftlichen Auswertung wurden alle Freitexte gelesen und bewertet. Viele Rückmeldungen beziehen sich auf Erfahrungen in der Kirche während der documenta-Begleitausstellungen. „Raum der Stille, Spiritualität, Kraft und zugleich Symbol des Wiederaufbaus Kassels in menschlicher, das Miteinander ins Zentrum stellender, Weise. Materialien, Formen, Licht und Bildwerke strahlen für mich diese Selbstverständlichkeit aus und lassen zugleich Raum für aktuelle Kunst und Kulturereignisse“, schrieb etwa ein Teilnehmer der Umfrage.

Einige Rückmeldungen gehen auf die Bedeutung des exponierten Standortes der Kirche und ihrer historischen Rolle als erste nachreformatorische Gemeindegründung in Kassel ein. So gehöre die Elisabethkirche „zum Stadtbild“. Heute sei sie konfessionsübergreifend ein „spiritueller Ort, der offen für Kunst und Kultur war“ und so zum „Ort der Begegnung“ wurde. Wörtlich schrieb jemand: „Die exponierte Lage und der historische Kontext sind für mich zwei Gesichtspunkte, ein „weiter so“ zu erhoffen. Dieser Kirchenraum, der sich öffnet, der unsere christliche Kultur nach außen und innen präsentiert. Ökumenisch, selbstbewusst christlich. Kulturell breit, offen und vielfältig aufgestellt.“

“A place of inspiration, courage and vision. Please carry on!”

Besonders auffällig ist, dass die positiven Ergebnisse nicht nur von Katholiken kommen. „Ich bin zwar Atheist, finde aber, dass Kirche für Menschen, die diesen Halt benötigen, etwas Wichtiges ist“, ist ein Beispiel oder auch: „Obwohl ich evangelisch bin, war mir die Elisabethkirche immer wieder eine Ruheoase in der Mittagspause. So habe ich die Elisabethkirche auch immer wieder bei der documenta wahrgenommen. Eine Oase wo man sich aus allen lauten und hektischen Zusammenhängen herausnehmen und zur Ruhe kommen kann und in die Gegenwart Gottes stellt. Danke dass das immer möglich war!“ Es gab auch internationale Rückmeldungen: “Elisabethen Kirche - a place of inspiration, courage and vision. Please carry on!”

„Junge Menschen empfinden die Elisabethkirche als spannend und einzigartig – das ist eine große Chance!“

Die Umfrageergebnisse hat die Mitglieder der Projektgruppe „Zukunft Elisabethkirche“ motiviert. Sie arbeiten im Auftrag von Bistum Fulda und Pfarrei Sankt Elisabeth. "So viel Leidenschaft, Engagement, Initiative, Kreativität hätte ich nicht erwartet“, so Stephan Röder, Moderator Projektgruppe "Zukunft Elisabethkirche". „Für viele Menschen ist die Elisabethkirche ein wertvoller Ort, voller persönlicher Erinnerungen, für andere Stadtbildprägend, für andere eine Perspektive für eine neue, einladende Art Kirche zu sein, wo Kunst und Spiritualität sich miteinander verbinden.“ Menschen unterschiedlichster Generationen, Religionszugehörigkeiten und ohne religiöse Bindung wünschten sich einen offenen Raum der Begegnung, der echten Menschlichkeit, einen Raum, der über das Alltägliche hinausweist: „Hier bin ich Mensch, hier darf ich sein. Diese Erfahrung bei der Auswertung der Befragung inspiriert mich.“

„Die Auswertung zeigt deutlich: Junge Menschen empfinden die Elisabethkirche als spannend und einzigartig – das ist eine große Chance, die wir ergreifen müssen! Ich stelle mir die Elisabethkirche wie ein Baum vor: fest verwurzelt in unserer Tradition, aber mit Ästen, die sich weit in die Zukunft strecken“ kommentiert Miriam Hanna, junges Mitglied Projektgruppe.

Erkennbar wird für Marcus Leitschuh, Projektleiter „Kultur in der Elisabethkirche“, dass Kultur in der Elisabethkirche ihre Einzigartigkeit und Bedeutung durch die Kombination von kulturellem Ausdruck in einer Kirche und zu religiösen, spirituellen und gesellschaftlichen Themen hat. „Dass in den Antworten fast mit gleichen Prozenten Spiritualität und Kultur als Wunsch für die Zukunft angegeben wurden zeigt, dass das besondere Konzept der Elisabethkirche mit dieser Mischung in den letzten Jahren angekommen und weiter gewünscht ist.“ Ein Wiederaufbau mache nur Sinn, wenn er einen Mehrwert hat und eine Ergänzung zu den bestehenden Räumen der Kirche in Kassel ist. „Kassel braucht weder ein reines Kulturzentrum, noch einen weitere normalen Gottesdienstraum. Deutlich wird, dass Menschen in der Elisabethkirche Neues erleben wollen und sich eine kreative Mischung wünschen.“ Kirche braucht diese „Dritten Orte“, außerhalb der traditionellen Gemeindestruktur. Leitschuh: „Kirchensteuerzahler haben auch dann ein Recht auf gute Angebote, wenn sie nicht am Leben einer Kirchengemeinde teilnehmen wollen und andere Orte suchen.“

Bauantrag für Interimdach gestellt

Aktuell dürfen noch keine Gottesdienste und Veranstaltungen in der Kirche stattfinden. Dass soll sich ändern, wenn womöglich bis Jahresende ein Interimdach aufgesetzt werden kann, wodurch dann auch das Gerüst und der Kran wieder demontiert werden können. Der entsprechende Bauantrag ist bei der Stadt Kassel gestellt. Parallel hat die Arbeitsgruppe aus Pfarrei Sankt Elisabeth und Bistum Fulda den Auftrag, dem Bistum Vorschläge für die gewollte Weiternutzung zu machen. Hier sollen Ergebnisse im Laufe des Jahres vorliegen.

Aktuell beteiligt sich die Gemeinde beim Wettbewerb „chrismongemeinde“, bei dem besondere Kirchenkonzepte zur Abstimmung gestellt werden. Bis Anfang April kann man für die Elisabethkirche abstimmen. Mit dem Preisgeld will die Gemeinde die Wiederöffnung unterstützen. Der Zustand der Orgel wird aktuell begutachtet, hier kann es noch keine Entscheidung geben, ob eine Restaurierung möglich wäre.